Sebastian Posch

Wir müssen die Wahrheit an uns ranlassen."

Steckbrief

Aktueller Beruf / Position:
Hornist der Staatskapelle Berlin / Position: 2. Horn
Kurzbiografie: 
Sebastian Posch wurde in Berlin geboren und begann seine musikalische Ausbildung zunächst auf der Violine. Horn studierte er in Berlin und Oslo bei Sebastian Weigle, Froydis Ree Wekre und Christian-Friedrich Dallmann, an die Staatskapelle Berlin wurde er 2002 engagiert. Darüber hinaus war er jahrelanges Mitglied im Mahler Chamber Orchestra und ist seit 2007 Lehrbeauftragter an der Universität der Künste Berlin. Sebastian Posch widmet sich ausgiebig der Kammermusik und ist u.a. Mitglied des Ensembles 4.1. Privat lebt er mit seiner Familie am Wald, nordöstlich von Berlin.

Interview

von Auli Eberle

 

1. Hat Nachhaltigkeit in deinem Leben schon immer eine Rolle gespielt, oder gab es den berühmten Change?

Für das Thema Nachhaltigkeit wurde ich sensibilisiert. Unweigerlich schon durch das Älterwerden selbst. Beginnend mit der Pubertät, dem Hinterfragen der eigenen wie allgemeinen (Un)Endlichkeit sowie der Wahl der Art und Weise und des Umfeldes, in dem ich leben wollte. Sensibilisiert wurde ich für Nachhaltigkeit aber auch mit zunehmender Bedeutung von Moral und Rücksichtnahme, nicht zuletzt durch die Relevanz ihrer Vermittlung an meine beiden Kinder. Falls man von einem Change sprechen möchte, dann resultiert dieser aus dem Bewusstsein über die wissenschaftlich basierte Dringlichkeit nachhaltigen Handelns, gerade vor dem Hintergrund der wenigen Zeit, die uns für ein Umsteuern noch bleibt.

 

2. Wie war deine erste Begegnung mit Orchester des Wandels?

Meine erste Begegnung mit Orchester des Wandels war 2010, zu einem Zeitpunkt, an dem dieser Begriff noch nicht einmal erfunden war. Ich gehöre nämlich zur 5er-Gruppe und späteren Vorstand, der Orchester des Wandels der MusikerInnen der Staatskapelle Berlin in dem Jahr gegründet hat. Es fing an mit der Suche nach einem charmanten Namen für unsere Stiftung NaturTon, die parallel entstand, um aus ihr die Einnahmen unserer Klimakonzerte an unsere Projekte zu verteilen. Der Name Orchester des Wandels sollte schließlich unsere Klima- und Umweltschutz- Initiative als auch dessen Ensemble gleichermaßen naheliegend wie einprägsam beschreiben.

Dass aus Orchester des Wandels nun in pluraler Bedeutung ein deutschlandweiter Verein erwachsen ist, in dem und für den sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits 33 Orchester engagieren, ist ein großes Geschenk für mich und meine Kollegen.

 

3. Wie seid ihr als Team in Sachen Nachhaltigkeit in eurem Orchester, eurem Haus strukturiert?

Auch wenn wir damals ein einstimmiges Votum des Orchesters für die Gründung unserer Initiative und Stiftung einschließlich ehrenamtlichen Engagements in unseren Klimakonzerten erleben durften, ist es im Kern der Vorstand, der einmal im Monat zusammenfindet und sich für die ökologische Ausrichtung des Orchesters wie Opernhauses einbringt. Darüber hinaus gibt es Gespräche mit dem Intendanten und der Orchesterdirektorin, nicht zuletzt über die Planungen der nächsten Klimakonzerte. Seitens des Hauses gibt es neu eine Nachhaltigkeitsgruppe sowie eine/n Diskurs und Konzertperformance zu Klima- und Umweltfragen: Sustainable Listening.

 

4. Welche Aktivitäten plant ihr mit eurem Orchester in der nächsten Zeit?

Am 13. November 2022 findet in der Berliner Philharmonie das mittlerweile 11. Klimakonzert unseres Orchesters statt! Hauptwerk des Abends wird die Uraufführung eines weltlichen Oratoriums mit dem Namen „Wir sind Erde“ sein. Es ist eine Auftragskomposition der Stiftung Kulturelle Erneuerung und basiert inhaltlich auf Grundlage der großartigen Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus. In großer Spannung und Vorfreude erwarten wir dieses Werk! Dirigieren wird es der Komponist Gregor A. Mayrhofer. Solistin des Abends ist die Cellistin Tanja Tetzlaff, seit diesem Jahr Botschafterin von Orchester des Wandels Deutschland sowie Initiatorin von suites4nature.org.

 

5. Wo siehst du das größte Potential für Klimaschutz-Maßnahmen in der Orchester- und Theaterlandschaft?

Wo ich das größte Potenzial sehe, möchte ich mit einem Verweis auf unsere Website und den dortigen grünen Leitfaden für Nachhaltigkeit im Konzertbetrieb beantworten.

Wodurch hingegen die Orchester- und Theaterlandschaft in meinen Augen größtes Potenzial hat Klimaschutzmaßnahmen zu bewirken und anzuregen, wurde vom Klimaforscher Prof. Hans Joachim Schellnhuber bereits sehr treffend beschrieben und das (diese Chance!) sollte uns Künstlern an dieser Stelle noch einmal bewusst werden: Die Wissenschaft erreicht die Köpfe der Menschen, die Musik [Kunst] ihre Herzen.

 

6. An welchen Punkten stößt du, stößt dein Orchester oder Theater an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst ihr diese Herausforderung?

Grenzen erfährt das Thema Nachhaltigkeit zunächst durch seinen in aller Regel untergeordneten Stellenwert. So ist dieser im Kontext der Komplexität an Veranstaltungen an der Oper und der damit verbundenen ständig neu zu bewertenden Priorität an Entscheidungen leider oft einer der letzten Tagesordnungspunkte und das Vorankommen in der ökologischen Ausrichtung erfährt nicht selten eher eine weitere Absichtserklärung als wünschenswerte Umsetzung.

Als öffentliches Haus, dessen finanzielle Ausgaben Rechenschaft unterliegen, gibt es natürlich auch hier Grenzen. Eine sehr markante Erfahrung gab es mit einer Wärmepumpe, für die wir uns als Initiative im Kontext der Sanierung der Staatsoper stark gemacht und als wichtiges Zeichen des Klimaschutzes beworben haben. Dass es am Ende bedauerlicherweise nicht dazu kam, ist der Tatsache geschuldet, dass wir als Orchester für die 300.000 Euro Mehrkosten hätten privat aufkommen müssen! Dies hätte natürlich nicht nur unsere finanziellen Möglichkeiten bei weitem übertroffen. Vor allem wäre ein Preis zu hoch gewesen, nämlich durch die einhergehende Verantwortung bei einer monetären Beschaffung dieser Größenordnung den Rückhalt aus den eigenen Reihen auf’ s Spiel zu setzen.

 

7. Wie hat sich das Nachdenken über Klimaschutz an eurem Orchester, eurem Haus verändert?

Die Mitwirkung in den jährlichen Klimakonzerten bewirkt unweigerlich und stets erneut bei jedem einzelnen Musiker eine Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit. Ausgangspunkt ist allerdings häufig das eigene zum Teil auch nötige Vergegenwärtigen der Relevanz dieses Themas im Kontext des normalerweise eh schon vollen Dienstplanes. Aber die gute Energie, die von diesen Konzerten und seinen Besuchern ausgeht, bewirkt in Summe mit der erlebten Dankbarkeit des Publikums, nicht zuletzt über die unkonventionellen Konzertformate wie Orte und über unser freiwilliges Engagement für die gute Sache, dass wir Musiker am Ende mit einem Lächeln und mit Stolz nach Hause gehen. Hand in Hand mit dem jährlichen Update der eigenen Vorsätze…

 

8. Was möchtest du jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit auf den Weg geben?

Engagiert euch. Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz müssen umgehend aus der Lifestyle-Ecke raus. Es geht nicht darum, ob es mein Thema ist oder mir wichtig ist. Wir haben ein Problem. Ein gewaltiges. Dies ist keine private Meinung, das ist wissenschaftlicher Konsens. Expertisen von hochspezialisierten Fachleuten weltweit warnen eindringlich vor den klimatischen Kipppunkten, deren Relevanz wir anderen nicht einfach relativieren können.

Ich glaube, bei immer mehr Menschen kommt die (Berechtigung dieser) Relevanz im Grunde an. Und wenn nicht bewusst, dann zumindest im Unterbewusstsein. Hintergrund für eine Verdrängung ist aber nicht allein der oft kommunizierte Umstand, die geliebte Komfortzone nicht verlassen zu wollen und Verzicht zu üben, sondern auch die der psychologischen und im Grunde lebenserhaltenden Flucht in Denkschema wie ,Wird schon nicht so schlimm’ oder ,Prophezeite Untergangsszenarien sind bislang nie eingetreten’.

Es entscheidet sich in diesem Jahrzehnt, ob wir die Kipppunkte überschreiten. Danach sind die Geschehnisse unumkehrbar. Eckart von Hirschhausen reduzierte in diesem Kontext die Ergebnisse des letzten IPCC-Berichts unlängst mit den Worten: „Scheiße, scheiße, scheiße“ und formulierte in einem ZEIT-Interview zutiefst besorgt: „Je mehr ich recherchiere, umso mehr frage ich mich, warum wir nicht alle schreiend durch die Gegend laufen.“

Der Ast des Baumes, auf dem die Menschheit sitzt, wird brechen, wenn die Kipppunkte überschritten werden. Diskutiert wird allerdings ausschließlich, welche Veränderungen ,Aber bitte mit Augenmaß!’ wir den Leuten zumuten können. Nein. Der Ast bricht.

Wir müssen die Wahrheit an uns ranlassen. Und ja, wir werden dafür einen hohen Preis zahlen, nämlich Lebensqualität einzubüßen durch große Ängste, die aus einer Bewusstmachung der Situation unweigerlich resultieren werden. Aber diese sind meines Erachtens nötig, um aufzuwachen. „I want you to panic“ ist ein oft geschmälertes Zitat von Greta Thunberg. In meinen Augen meint es im Kern genau das und spricht mir aus der Seele, damals wie heute. Es war nie Selbstzweck und weder eine PR-Nummer noch fatalistisch gemeint. Sondern nach unzähligen gescheiterten moderateren Appellen seitens der Wissenschaft wie der Politik ein weiterer, wenn auch verzweifelter Versuch, die Leute durch Wachrütteln zu erreichen.

Was ich jungen Menschen mit auf den Weg geben möchte? Tut euch weiterhin zusammen. Geht noch zahlreicher auf die Straße. Sensibilisiert und motiviert die Trägen und Ignoranten. Und mobilisiert die Mehrheit. Sie beeinflusst, was am Ende durch die Politik ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich passiert. Passieren muss.

 

9. Inspiriere uns – wie gestaltest du dein Arbeits- und dein Privatleben umweltschonend?

Beruflich pendele ich mit einem reinen Elektroauto, welches ich daheim mit 100% Ökostrom lade. Zu „Muggen“ fahre ich in aller Regel mit der Bahn, auch wenn es manchmal einen ganzen Tag Reise bedeutet.

Privat lebe ich in einem ökologisch gebauten Haus mit Erdwärmepumpe, 3-Scheiben-Verglasung, Zellulose-Einblasdämmung im Dach, einem wasserführenden Kamin, Natursteinfliesen, zertifiziertem Holz u.v.m. Unterstreichen möchte ich an dieser Stelle allerdings, dass ich mich damit nicht hervortuen möchte, sondern dies als geboten sah und sehe, auch wenn es finanziell bedingt natürlich bedeuten kann am Ende etwas kleiner zu bauen.

 

10. Was treibt Dich an?

Mich treibt der Erhalt der Schöpfung an. Dies klingt pathetischer als ich es meine.

Sicher ist der Begriff vor dem Hintergrund meiner christlichen Erziehung eigenständig geprägt. Obwohl ich in zweierlei Hinsicht auch Probleme mit dem Umgang des Begriffs Schöpfung und der Rolle des Menschen darin sehe. Zum einen danken wir (dem Schöpfer oder ganz allgemein) für die Schöpfung, treten sie aber gleich darauf wieder mit Füßen. Vielmehr noch, wir rotten sie mittlerweile buchstäblich aus. Und das wissentlich. Wohlgemerkt „wir“- der Mensch- die vermeintliche Krönung der Schöpfung. Das ist Ironie de luxe: Die Krönung der Schöpfung vernichtet die Schöpfung. Nun ja. Hoffentlich nicht. Den letzten Trumpf behält zum Glück die Schöpfung in der Hand. Sie wird sich anpassen und neu formieren. Und falls gegeben selbstverständlich auch ohne den Menschen.

 

11. Von welcher Positiv-Schlagzeile aus der Orchester- und Theaterlandschaft zum Thema Umweltschutz träumst Du?

Orchestras of Change GLOBAL.

 

12. Verrätst du uns dein ganz persönliches Nachhaltigkeits-Motto/deinen Klimaschutz-Leitsatz?

Demut vor der Schöpfung. Sie als Geschenk zu begreifen. Und im Licht und als Ergebnis vorangegangener millionenjahrelanger Evolution zu sehen.

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