Magdalena Ernst

„Ich wünsche mir eine lebenswerte Zukunft und ich möchte mich daran beteiligen."

Steckbrief

Aktueller Beruf / Position:
Solohornistin, Duisburger Philharmoniker
Kurzbiografie:
Magdalena Ernst studierte Horn und Klavier an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Nach einem Auslandsjahr in Amsterdam, spielte sie in der Saison 2015/16 bei den Bremer Philharmonikern und ist seit 2017 als Solohornistin bei den Duisburger Philharmonikern tätig. Zahlreiche Kammermusikprojekte, ihr Engagement als Vorsitzende des Gründungsvorstands von Orchester des Wandels Deutschland e.V. sowie eine Ausbildung zur Yogalehrerin zeugen von ihrer Neugierde für Aktivitäten, die über das Musizieren hinausgehen.

Interview

von Auli Eberle

 

1. Wie war deine erste Begegnung mit Orchester des Wandels?

Bereits 2009 in Berlin habe ich die Ursprünge mitbekommen. Damals hatte ich im Hornstudium Unterricht bei Markus Bruggaier. Er erzählte mir sehr begeistert von der neuen Initiative und ich war als Zuhörerin live bei der Gründungsveranstaltung in der Staatsoper Berlin dabei. Bei einigen Aktionen und Konzerten wirkte ich dann sogar mit, mal auf und mal hinter der Bühne.

 

2. Hat Nachhaltigkeit in Deinem Leben schon immer eine Rolle gespielt, oder gab es den berühmten Change?

Durch meine Kindheit auf dem Land und durch meine Eltern war mir ein bewusster Umgang mit der Natur und mit gesunden Lebensmitteln schon immer vertraut. Ich erinnere mich zum Beispiel an unsere Ausflüge zum Milchholen auf den Bauernhof und an die Diskussionen darüber, ob ich mit dem Bus zu meinen Verabredungen fahren kann oder mit dem Auto gefahren werde. Der bewusste Wunsch, mich mehr um Nachhaltigkeit zu kümmern, ist allerdings eher nach und nach immer stärker geworden.

 

3. Wie seid ihr als Team in Sachen Nachhaltigkeit in eurem Orchester strukturiert?

Mein Eindruck ist, dass es bereits viele Entscheidungen im Betriebsablauf gibt, die aus Gründen der finanziellen Ressourcen zugunsten umweltschonender Alternativen getroffen wurden. Allerdings gibt es noch unendlich viel zu tun und ich glaube, dass es schlicht und einfach bisher kein transparentes Netzwerk für dieses Thema in unserer Branche gab. Inzwischen wurde eine Arbeitsgruppe im Orchester ins Leben gerufen, die sehr aktiv Konzerte und Umweltschutzprojekte organisiert und auch in der Stadt immer mehr vernetzt ist. Kurz vor der Sommerpause 2021 wurde nun auch eine Nachhaltigkeits-AG mit dem Umweltamt der Stadt Duisburg ins Leben gerufen, in der Leitungspersonen aus allen Abteilungen des Theaters vertreten sind, dazu zwei Orchestermitglieder und eine Klimaschutzmanagerin der Stadt Duisburg. Ich bin sehr gespannt, was wir bewirken können.

 

4. Welche Aktivitäten plant ihr im Rahmen eurer Mitgliedschaft bei Orchester des Wandels?

Uns ist es wichtig, neue Konzertideen zu entwickeln und außerdem ein Netzwerk in der Stadt aufzubauen, indem wir regionale Initiativen kennenlernen und uns gegenseitig unterstützen. Wir haben als erstes Projekt im Oktober 2020 gemeinsam mit den Initiativen „Kants Garten“ und „Duisburg summt“ Krokusse vor dem Theater gepflanzt, und seit diesem Frühjahr kümmert sich eine Gruppe um mehr Artenvielfalt und einen blühenden Theatergarten inklusive Wildbienenhotel. Darüber hinaus waren wir zweimal gemeinsam am Rhein unterwegs und haben Müll gesammelt. Im Konzertbereich haben wir gemeinsam mit dem Verein „Naturwerkstatt e.V.“ im Wald eine Naturrallye für Familien veranstaltet und mit der „Klimawerkstatt“ ein neues Kammermusikformat konzipiert, in dem wir uns mit dem Publikum austauschen und mit Initiativen vor Ort vernetzen wollen. In dieser Spielzeit ist nun ein erstes großes Klimakonzert zum Thema Wald geplant. Außerdem haben wir einiges in Zusammenarbeit mit dem Umweltamt der Stadt Duisburg vor und wünschen uns natürlich sehr, dass auch hinsichtlich der Emissionen im Konzert- und Opernbereich an einigen Stellschrauben gedreht werden kann.

 

5. Wo siehst du das größte Potential für Klimaschutz-Maßnahmen in der Orchester- und Theaterlandschaft?

Ich denke, dass es einige Parameter gibt, die für viele Branchen gelten, wie z.B. Mobilität, Gebäudeemissionen, etc. Unser größtes Potenzial ist jedoch sicher die positive Kraft unserer Musik und Kunst und die Sichtbarkeit, die wir in der Öffentlichkeit erreichen können. Wir haben die Chance als Multiplikatoren zu fungieren und positive, zukunftsweisende Utopien zu erschaffen. Menschen aus verschiedensten Gruppierungen können sich in unseren Sälen verbinden, austauschen und Impulse mitnehmen. Ich erhoffe mir eine Art Schneeballeffekt durch unsere Bewegung.

 

6. An welchen Punkten stößt du, stößt dein Orchester oder Theater an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst ihr diese Herausforderung?

Ich kann nur aus meiner Perspektive sprechen und hier würde ich sagen:  intransparente Strukturen im Haus, Abhängigkeit von einem riesigen Verwaltungsapparat, der sich in unserem Fall bis in die Stadtverwaltung erstreckt und… Geld. Bisher hat man häufig andere Prioritäten gesetzt. Ich setze große Hoffnung auf die anstehende Sanierung unseres Theaters und darauf, dass die Bereitschaft momentan sehr hoch ist, über das Thema Nachhaltigkeit zu sprechen.

 

7. Wie hat eure Mitgliedschaft bei Orchester des Wandels das Nachdenken über Klimaschutz an eurem Haus verändert?

Ich weiß nicht, wie viel wir wirklich konkret bewirkt haben. Momentan sind es vielleicht scheinbare Kleinigkeiten es entstehen neue Bekanntschaften, neue Gesprächsthemen und Ideen. Viele Kolleg:innen sind bereit, mit anzupacken und neue Energie entsteht an unerwarteten Stellen. Dafür gibt es an anderen Stellen plötzlich neue Konflikte und Reibungspunkte. Das gehört vermutlich auch dazu.

 

8. Was möchtest du jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit auf den Weg geben?

Viele junge Menschen sind schon besser informiert als die älteren Generationen und zu Recht wütend. Bitte gebt nicht auf, an eine gute Zukunft zu glauben und euch den Älteren „zuzumuten“. Ich würde mir dabei jedoch wünschen, dass das ohne gegenseitige Anschuldigungen möglich ist und wir gemeinsam neue Wege gehen. Die Gesellschaft muss erst lernen, dass Nachhaltigkeit Lebensqualität mit sich bringt und dass es nicht nur um Verzicht, sondern um ein ganzheitliches Denken geht. Habt ein bisschen Nachsicht: bisher erschien unser System eben vielen Menschen als die einzige Möglichkeit und es hat an vielen Stellen sehr gut für viele funktioniert. Ja, wir haben wenig Zeit und trotzdem ist Geduld und Empathie wichtig. Bitte bleibt dran und bleibt im Gespräch!

 

9. Inspiriere uns – wie gestaltest du dein Arbeits- und dein Privatleben umweltschonend?

Ich bin in vielen Bereichen noch überhaupt nicht so „gut“, wie ich es gerne wäre. Mein Tipp wäre: zuerst die Dinge tun, die mir leicht fallen und daraus die Motivation schöpfen, einen Schritt weiterzugehen. Die üblichen Dinge tue ich schön länger: Öko-Strom, kein Auto, Einkauf fast nur im Bioladen, häufig im Unverpacktladen oder auf dem Wochenmarkt. In letzter Zeit habe ich Second-Hand für mich entdeckt, mein Bankkonto und Email-Account zu nachhaltigen Anbietern gewechselt und Ecosia als Suchmaschine installiert. Und dazu verzichte ich gelegentlich bewusst für einige Wochen komplett auf tierische Produkte oder andere Dinge. Ich denke mir: lieber viele kleine Schritte, als zu große Ziele und dann den Kopf vor Frust in den Sand stecken.

 

10. Was treibt Dich an?

Ganz ehrlich…Zum einen habe ich ganz einfach Angst davor, was passiert, wenn wir nichts tun und wie ich mich fühlen werde, wenn ich angesichts der Klimakrise untätig zugesehen habe. Zum anderen favorisiere  ich aber positive Motivation und würde sagen: ich wünsche mir eine lebenswerte Zukunft und ich möchte mich daran beteiligen. Durch Orchester des Wandels habe ich schon viele tolle Menschen kennengelernt und neue Hoffnung schöpfen können. Ich wünsche mir, dass immer mehr Menschen erkennen, wie lohnenswert es ist, unser Zusammenleben mitzugestalten. Diese Selbstwirksamkeit und Verbundenheit zu spüren, gibt enorme Kraft und das überträgt sich auf das ganze Leben. Wir sind alle miteinander verbunden und sitzen im selben Boot. Wie können wir dann nicht persönlich nehmen, was auf unserem Planeten passiert? Insbesondere im Zusammenhang mit unserer Kulturbranche wünsche ich mir diese Identifikation. Wie schön wäre es, wenn Konzerte Orte wären, in denen GELEBT wird und in denen wir Inspiration und Verbundenheit für das ganze Leben teilen und mitnehmen könnten!

 

11. Von welcher Positiv-Schlagzeile aus der Orchester- und Theaterlandschaft zum Thema Umweltschutz träumst Du?

Inspiration Konzertsaal – Konzertsäle als Orte der Lebensfreude! Unsere Klimahausaufgaben haben wir längst erledigt, hier wird jetzt Zukunft gestaltet!

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