Rose Eickelberg
„Ich glaube unser größtes Potential liegt in der emotionalen Wucht, die wir dem Thema Klimaschutz durch die künstlerische Auseinandersetzung mit allen Sinnen geben können."
Steckbrief
Aktueller Beruf / Position:
stellv. Solo-Paukerin, Bremer Philharmoniker
Kurzbiografie:
Rose Eickelberg ist in Köln geboren und hat an der Hochschule für Musik & Tanz Köln studiert. Nach einigen Zwischenstationen u.a. in der Akademie der Staatskapelle Berlin, erhielt sie die Stelle als stellvt. Solopaukerin bei den Bremer Philharmonikern. Es folgte ein Zweitstudium der Elementaren Musikpädagogik an der Hochschule für Künste Bremen bei Prof. Dr. Barbara Stiller und die Mitarbeit im Leitungsteam von „Musik erleben. Musik vermitteln“, einem Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Hochschule für Künste Bremen zur Musikvermittlung für Orchestermusiker*innen.
Interview
von Auli Eberle
1. Wie war Deine erste Begegnung mit Orchester des Wandels?
Das war noch vor dem „Relaunch“ des Vereins, als es noch eine einzelne Initiative der Staatskapelle Berlin war. Ich hatte ein sehr intensives, beflügelndes Treffen mit Markus Bruggaier in Berlin, dem Gründer und heutigem stellvertretenden Vereinsvorsitzenden. Wir kamen überein, einen „Neustart“ der Initiative zu versuchen, ausgehend von unseren persönlichen Kontakten, woraus dann der heutige Verein Orchester des Wandels e.V. entstanden ist. Und dass aus einem einzelnen Treffen so etwas Tolles entsteht, mit so einer Wucht und Reichweite, das ist immer noch ein sehr erhebendes Gefühl und zeigt, dass jeder etwas tun kann.
2. Hat Nachhaltigkeit in Deinem Leben schon immer eine Rolle gespielt oder gab es den berühmten Change?
Mit einer gewissen Nachhaltigkeit bin ich groß geworden. Verschwendung wurde in meinem Elternhaus aus Prinzip vermieden, wenn auch aus anderen Gründen als heute. Die Kriegszeit war noch präsent, und sowohl die „Wegwerf-Mentalität“, also Dinge neu zu kaufen anstatt zu reparieren oder kurzlebige/minderwertige Waren zu kaufen und auch das Wergwerfen von Lebensmitteln, war aus der Erfahrung des Hungers und dem Erleben von Mangel verpönt. Es gab eine gewisse Achtung vor den Ressourcen. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit bei mir persönlich ein Prozess, wo noch Luft nach oben ist. Klimaschutz wurde mir nach und nach ein immer dringlicheres Bedürfnis, da ich die Zeichen der zunehmenden Bedrohung gespürt habe. Als ich bei einer Fridays for Future -Demo in Bremen mitging, habe ich nach Musik und nach Musiker*innen Ausschau gehalten und gedacht- wo sind wir? Wo ist die Musik? Wo ist die Kunst? Das war der ausschlaggebende Impuls dafür, mich aktiv auf die Suche zu machen, um mich als Musikerin zu engagieren.
3. Wie seid Ihr als Team in Sachen Nachhaltigkeit in Eurem Orchester, eurem Haus strukturiert?
Wir haben eine Doppelstruktur, das Theater und das Orchester, die zwei getrennte GmbHs sind. Im Theater spielt das Thema nach meinem Wissen schon eine größere Rolle, darüber habe ich aber keine weiteren Informationen, da es wie gesagt getrennte Betriebe sind und die Vernetzung mit dem Theater geplant, aber noch nicht erfolgt ist. Im Orchester und im Klima-Team ist Nachhaltigkeit im Moment noch eine individuelle Angelegenheit, Bewusstsein und Strukturen müssen dafür erst noch geschaffen werden. Der aktuelle Leitfaden, den das Orchester des Wandels herausgegeben hat, wird dabei sicher eine Hilfe sein.
4. Welche Aktivitäten plant ihr im Rahmen eurer Mitgliedschaft bei Orchester des Wandels?
Wir planen und agieren auf mehreren Ebenen. Hier in Bremen spielen wir Konzerte, machen Aktionstage oder Benefiz-Aktionen, außerdem helfen wir bei der Vereinsarbeit. Wir entwickeln neue künstlerische Konzepte, vernetzen uns dafür spartenübergreifend und suchen neue Wege. Im Moment passiert im Kunst-und Kulturbereich viel zeitgleich, aber auch nebeneinander her, und ich fände es toll, wenn das etwas übersichtlicher würde, und nicht jeder nur individuell agieren würde; z.B. sind künstlerische Konzepte an anderen Standorten und mit anderen Künstlern wiederholbar. Da könnte man mit wenig Aufwand viel erreichen. Auch Weiterbildung finde ich ein Thema, was ich gerne noch bearbeiten würde. Überregional treiben wir Patenschaften mit dem Alfred Wegener Institut und anderen voran, um die spartenübergreifende, interdisziplinäre Vernetzung zu fördern. Durch Synergien mit Wissenschaftler*innen bekommen unsere Aktionen und Konzerte einerseits eine wissenschaftliche Fundiertheit, und zusätzlich erweitern wir unsere Reichweite innerhalb der Gesellschaft. Wir versuchen gerade, eine Art „gallische Dörfer“ zu bilden, also kleine regionale Zusammenschlüsse aus Wissenschaftler*innen und Musiker*innen. Darin sehe ich persönlich großes Potential, weil diese regionalen „Zellen“ sehr kreativ und agil sein können und eine große Reichweite haben. Mal sehen, ob das klappt.
5. Wo siehst Du das größte Potential für Klimaschutz-Maßnahmen in der Orchester- und Theaterlandschaft?
Ich glaube das größte Potential liegt zum einen in der emotionalen Wucht, die wir dem Thema durch die künstlerische Umsetzung und die Auseinandersetzung mit allen Sinnen geben können, und zum anderen in unserer Reichweite als Kulturinstitution und der Möglichkeiten der regionalen bis hin zur internationalen Vernetzung. Schließlich sind die Orchester, die Theater, die Musiker*innen und Künstler*innen genauso eine große und internationale Familie wie die Wissenschaftler*innen. Überall gibt es Künstler*innen, und überall gibt es Wissenschaftler*innen. Nicht zuletzt deshalb treibe ich die Vernetzung dieser beiden Bereiche persönlich voran. Denn tatsächlich haben ganz viele Menschen noch nicht begriffen, an welchem Abgrund wir stehen- während die Wissenschaftler schon fast verzweifelt aufgeben, weil sie nicht gehört werden. Das zu ändern, den Wissenschaftler*innen und Ihrem Wissen eine Bühne, eine Plattform zu geben, die Erkenntnisse spürbar zu machen, und die Menschen aufzurütteln, aber auch Mut zu machen- das sehe ich als unseren derzeit wichtigsten kulturellen, gesellschaftlichen Auftrag.
6. An welchen Punkten stößt Du, stößt Dein Orchester oder Theater an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst Ihr diese Herausforderung?
Wir betreten alle Neuland. Dass sich Musiker*innen als gesamtes Orchester engagieren, das ist teilweise ein heikles Unterfangen. Wir müssen erst erforschen, wieviel Engagement wir zeigen können, ohne unsere Grenzen als städtisches Orchester zu verletzen und ohne unser treues Publikum oder die Geschäftsleitung und Kolleg*innen abzuschrecken . Unser gesellschaftlicher und kultureller Auftrag muss mit den betrieblichen Vorschriften in Einklang gebracht werden und mit Dienstplänen, schließlich findet alles ehrenamtlich und in unserer Freizeit statt. Ebenso müssen wir zunächst auch intern informieren und überzeugen, und auch dafür brauchen wir Ideen und Strukturen. In allen Fällen ist Fingerspitzen-Gefühl und Ausdauer gefragt. Und wir setzen bei der Lösung auf Kreativität und Attraktivität: Haben wir mit unseren Konzerten und Formaten Erfolg, gewinnen wir an Relevanz und an Unterstützung, innerhalb des Orchesters sowie bei unserem Publikum.
7. Was möchtest du jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit auf den Weg geben?
Findet einen individuellen Weg, um Eure Fähigkeiten und Möglichkeiten intelligent und bestmöglich einzusetzen. Ich hätte nur einen Bruchteil erreicht, wäre ich lediglich als eine von vielen bei einer Demo mitgegangen, oder hätte ab jetzt aufs Reisen völlig verzichtet, aber nicht meine Möglichkeiten, meine Fähigkeiten und meine Reichweite eingesetzt. Ich glaube, wir müssen beim Kampf für’s Klima über das Individuelle hinauswachsen, und in größeren Bezügen denken und agieren. Wen kenne ich? Was kann ich? Wie erreiche ich etwas, bewege etwas, mit wem kann ich mich zusammentun?
8. Inspiriere uns – wie gestaltest du dein Arbeits- und dein Privatleben umweltschonend?
Indem ich einen Großteil meiner Freizeit gerade auf meine Aktivitäten für Orchester des Wandels verwende. Ansonsten natürlich auch das, was die meisten machen- Rad fahren, Bahn fahren, möglichst wenig fliegen..
9. Was treibt Dich an?
Ich habe so ein tolles Leben, das mir einfach geschenkt wurde. Ich lebe als Musikerin und in Frieden, in einem der reichsten Länder der Erde. Jetzt ist es Zeit, etwas zurückzugeben. Und ich bin eine gute „Antreiberin“, ich liebe es, Dinge ins Rollen zu bringen, und freue mich, wenn es läuft – think big!
10. Von welcher Positiv-Schlagzeile aus der Orchester- und Theaterlandschaft zum Thema Umweltschutz träumst Du?
We are one world: Musiker*innen und Künstler*innen aus der ganzen Welt erreichen mit ihren kreativen Aktionen den Durchbruch beim aktuellen UN-Klimagipfel!!
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