Jan Bauer

Aus einem Samenkorn wächst irgendwann ein schöner Baum."

Steckbrief

Aktueller Beruf / Position:
Cellist im Staatsorchester Braunschweig und im ESPERIA Quartett
Kurzbiografie: 
Nach seinem Cello-Studium in Bremen und an der Folkwang Hochschule Essen war Jan Stipendiat der Orchesterakademie bei den Essener Philharmonikern und wurde anschließend Mitglied im Staatsorchester Braunschweig. Seine Leidenschaft für Kammermusik lebt er seit 2020 im ESPERIA Quartett aus und ist Gründungsvorstand bei Orchester des Wandels e.V.. Wenn er nicht musiziert, wandert er gern durch die Alpen, fährt Rennrad, gärtnert und kocht.

Interview

von Auli Eberle

 

1. Hat Nachhaltigkeit in Deinem Leben schon immer eine Rolle gespielt, oder gab es den berühmten Change?

Beides! Meine Kindheit verbrachte ich am Rande des Schwarzwaldes und spielte mit meinen Geschwistern immer am Bach oder im Wald. Meine Mutter kochte mit Liebe vollwertig Bio und die Urlaube wurden ohne Flugreisen an der Nordsee oder in den Alpen gemacht. Dennoch spürte ich in meinem Leben vor zwei Jahren einen Wandel: ich erkannte für mich, dass eine nachhaltige und ökologische Lebensweise nicht genug ist, um der Bedrohung unserer Erde durch den Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Ich wollte wirklich aktiv werden und etwas verändern.

 

2. Wie war deine erste Begegnung mit Orchester des Wandels?

Ich finde es toll, dass inzwischen so viele Menschen für den Klimaschutz auf die Straße gehen! Als Cellist fragte ich mich aber, ob ich andere Menschen zum Thema Natur- und Klimaschutz durch die Musik noch viel tiefer erreichen und berühren könnte. Die Schönheiten der Natur erlebt man ja emotional viel intensiver als durch Zahlen und Grenzwerte. Ich wollte also eine Reihe für Klimakonzerte gründen und erfuhr dann, dass die Staatskapelle Berlin dies schon jahrelang tut. Dann passte alles sehr schnell zusammen: ich suchte den Kontakt zu Markus Bruggaier, der gerade dabei war, seine Berliner Initiative deutschlandweit aufzustellen. Dafür hatte er schon einige interessierte Musiker:innen, die mitmachen wollten, z.B. Magdalena Ernst aus Duisburg (jetzt unsere Vorsitzende) und Rose Eickelberg aus Bremen. Nach wenigen Monaten gründeten wir dann gemeinsam mit weiteren befreundeten Musiker:innen Orchester des Wandels Deutschland e.V.

  

3. Wie seid ihr als Team in Sachen Nachhaltigkeit an eurem Haus strukturiert?

Nach dem Beitritt zu Orchester des Wandels e.V. bildete sich im Staatsorchester Braunschweig aus einigen Musiker:innen unsere Klimagruppe, die Projekte und Klimakonzerte in drei verschiedenen Bereichen organisiert: ehrenamtliche Kammerkonzerte, Kooperationen mit dem „Jungen Staatstheater“ für Jugendprojekte und ein bis zwei große Sinfoniekonzerte pro Spielzeit, gemeinsam geplant mit der Orchesterleitung. Zusammen mit dem Orchesterbüro entwickelt die Klimagruppe Perspektiven für eine nachhaltigere Planung der Orchesterreisen, z.B. für die optimale Auslastung der Busse oder für alternative Zugreisen.

Wir vernetzen uns mit den Natur- und Umweltschutzverbänden sowie wissenschaftlichen Institutionen der Stadt und planen gemeinsame Projekte. Für die Nachhaltigkeit am Haus hat unsere Theaterleitung bereits ein Konzept entwickelt und ist mit uns im Austausch. Auf einem grünen Brett im Eingangsbereich wird künftig alles zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz veröffentlicht. Hier wollen wir auch spartenübergreifend zu neuen Projekten anregen.

 

4. Welche Aktivitäten plant ihr mit eurem Orchester in der nächsten Zeit?

Unser nächstes Klimakonzert spielen wir in Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum Braunschweig. Darüber hinaus wird es wieder ein Klima-Lunchkonzert im Theater geben, diesmal mit Werken für Bläserensemble und Harfe. Im Zusammenhang mit der Glasgower Klimakonferenz 2021 wollen wir eine Idee des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung aufgreifen und mit einem Wissenschaftler der Helmholtz-Gemeinschaft  gemeinsam ein Konzertprojekt veranstalten.

Das große Klima-Sinfoniekonzert für 2022 ist noch in Planung- es wird auf jeden Fall spannend!

 

5. Wo siehst du das größte Potential für Klimaschutz-Maßnahmen in der Orchester- und Theaterlandschaft?

In Theatern und Opernhäusern kann sicher noch sehr viel Strom gespart und auf mehr Nachhaltigkeit geachtet werden. Ebenso könnten größere Reisen/Tourneen der meisten Orchester nachhaltiger gestaltet und kompensiert werden. Das wird in wenigen Jahren ganz selbstverständlich sein. Der „Leitfaden zur Nachhaltigkeit im Konzertbetrieb“, den ein Team unserer Musiker:innen aus München, Nürnberg und Saarbrücken konzipiert und auf die Homepage von Orchester des Wandels gestellt hat, bietet dazu sehr gute Anregungen! Darüber hinaus sehe ich aber ein sehr großes Potential in einem Wandel des Bewusstseins: wenn wir z.B. unser Theater als Mikrokosmos der Stadtgesellschaft sehen und hier spartenübergreifend den Klimawandel thematisieren und vielleicht auch gemeinsam mit dem Publikum Lösungsansätze zeigen, hat das eine Außenwirkung in die Stadt und in die Gesellschaft hinein.  Wenn wir im Jugendtheater Projekte mit Klimabezug anbieten oder wenn in einem Konzert über die Schönheit unserer Natur Menschen zu Tränen gerührt sind, dann spüre ich, dass sich zunächst im Kleinen etwas verändert, dass Menschen wach werden und sich dann hoffentlich auch engagieren.

 

6. An welchen Punkten stößt du, stößt dein Orchester oder Theater an Grenzen in der Nachhaltigkeit und wie löst ihr diese Herausforderung?

Im Moment erlebe ich eher, wie das Engagement für Natur und Klima viele Türen öffnet, Menschen verbindet und Dinge möglich werden. Diese Offenheit und dass wir am Staatstheater Braunschweig das Gefühl haben, alle an einem Strang zu ziehen, ist wirklich schön. Sicher gibt es noch viel zu hinterfragen: für Orchesterreisen sollten wir öfter den Zug nehmen oder unvermeidbare Emissionen durch Baumpflanzungen oder Projekte wie Moorverwässerung ausgleichen. Da sind wir erst am Anfang. Widerstände und Grenzen können oft überwunden werden, wenn man respektvoll miteinander redet. Es geht ja nicht um egoistische Bereicherung, sondern um eine lebenswerte Zukunft für alle.

 

7. Wie hat sich das Nachdenken über Klimaschutz an eurem Orchester, eurem Haus verändert?

Inzwischen wird das Thema Klimaschutz von fast allen Menschen sehr ernst genommen.

Während man sich vor zwei Jahren noch fragte „was haben wir als Kulturinstitution damit zu tun?“ überlegt man sich heute eher, wie man mit seinem Potential etwas zum Klimaschutz beitragen kann. Natürlich kommen Menschen vor allem ins Konzert, um durch die Schönheit der Musik berührt und nicht, um von Ökoaktivisten belehrt zu werden. Wenn aber der Bach, an dem Beethoven die Pastorale komponierte für immer ausgetrocknet ist und die Hebriden (bzw. flachere Inseln) vom steigenden Meeresspiegel überspült werden, bleibt die Musik nur als Erinnerung an eine damals heile Welt. Immer mehr Menschen wollen die Natur schützen und gerade junge Menschen erleben innovative Konzert- oder Theaterprogramme, die darauf Bezug nehmen, als zeitgemäß und spannend.

 

8. Was möchtest du diesen jungen Menschen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz mit auf den Weg geben?

Viele von ihnen gehen ja inzwischen schon auf die Straßen und demonstrieren für den Erhalt eines lebenswerten Planeten und intakten Klimas. Ich bewundere sie, weil sie aktiv werden statt zu resignieren. Gleichzeitig hoffe ich aber, dass sie es aus Überzeugung tun und am Thema bleiben, selbst wenn das irgendwann uncool wäre. Ich wünsche mir auch, dass junge Menschen bei allem digitalem Überangebot wieder mehr Zeit in der Natur verbringen. Ein gestreamter Film verbraucht ca. soviel CO2 wie 13 Kilometer Autofahren.  Und ein Tag in der Natur erholt, reinigt und inspiriert uns.

 

9. Inspiriere Du uns – wie gestaltest du dein Arbeits- und dein Privatleben umweltschonend?

Als Musiker überlege ich mir Konzertprogramme mit Naturbezug und organisiere dazu Klimakonzerte. Neulich bat ich die Intendantin unseres Staatstheaters, Dagmar Schlingmann, um ein Gespräch mit der Klimagruppe meines Orchesters. Es gab einen sehr positiven und inspirierten Austausch und viele Ideen, die wir in den kommenden Monaten am Theater umsetzen wollen.

Privat habe ich zwar aus Bequemlichkeit immer noch ein Auto, erziehe mich aber dazu, es seltener zu nutzen. In der Stadt geht alles mit dem Fahrrad und von Stadt zu Stadt mit dem ICE.

Ökostrom, Bio-Lebensmittel aus einem Mitgliederladen (zu welchem man seine Verpackung mitbringen muss), Wechsel zu einer grünen Bank, wenn möglich ein Verzicht auf Urlaubsflüge oder auch bewusste und häufigere Auszeiten in der Natur haben meine Lebensqualität erhöht.

 

10. Was treibt Dich an?

Die Liebe zur Natur, deren erhabene Schönheit mich oft sprachlos macht (vor allem in den Alpen). Der Kontakt zu positiv denkenden Menschen mit Humor und die Liebe zur Musik als Inspirationsquell und als eine Sprache, mit der sich alle Menschen weltweit verbinden.

 

11. Von welcher Positiv-Schlagzeile aus der Orchester- und Theaterlandschaft zum Thema Umweltschutz träumst Du?

„Deutsche Opernhäuser und Konzertbetriebe sind CO2 neutral. Als erste Branche haben die Musiker:innen und Kulturinstitutionen in Deutschland gezeigt, wie schnell und wie originell Klimaneutralität erreicht werden kann. Die meisten Orchester haben gemeinsam mit dem Publikum sogenannte Musik-Wälder gepflanzt, die zur Kompensation dienen und in denen kleinere Ensembles im Sommer Waldkonzerte spielen.“

 

12. Verrätst du uns dein ganz persönliches Nachhaltigkeits-Motto/deinen Klimaschutz-Leitsatz?

Mit Visionen, positiven Gedanken und Ausdauer können wir viel bewegen. Am besten fangen wir gleich heute an. Und auch wenn es zunächst nur kleine Veränderungen sind: aus einem Samenkorn wächst irgendwann ein schöner Baum.

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